Post aus Rohmanen vom 19 März 1950

Ein Briefwechsel zwischen Ost und West

                               Vorwort

Aufnahme von 1949

Zum besseren Verständniss möchte ich an dieser Stelle die wirtschaftliche Lage der Deutschen unter polnischer
Verwaltung beschreiben. Man schreibt das Jahr 1950. Fast fünf Jahre sind schon seit dem Ende des 2. Weltkrieges
vergangen. In Rohmanen, im Kreis Ortelsburg in Ostpreußen, hat sich die zurückgebliebene deutsche Bevölkerung,
die im Januar 1945, auf der Flucht gen Westen von der roten Armee überrollt wurde und danach
unter unbeschreiblichen Qualen, von russischen Soldaten bedroht, durch das zerstörte Land wieder
in ihr Heimatdorf zurück gekehrt ist, immer noch nicht von den Schrecken der Flucht erholt. An die neuen,
jetzt polnischen Nachbarn, die im Laufe der Jahre alle, von den Deutschen verlassenen Höfe besetzten,
hatte man sich so langsam gewöhnt. Die Deutsche Bevölkerung mußte in den ersten Nachkriegsjahren,
selbst den Pflug und die Egge ziehen, da alle Pferde und Kühe von der russischen Besatzung als
Kriegsbeute nach Rußland getrieben wurden. Man mußte unter Aufbietung aller verfügbaren menschlichen
Kräfte, den Acker aufbereiten und das Saatgut ausstreuen. Nur auf diese Weise konnte man dem Hungertod entgehen.
  
Frau Marie Trzaska hat Ihre Nachbarin Wilhelmine Willam, die am 16.März Geburtstag hat, bei sich
aufgenommen, nachdem ihr Ehemann verstorben war. Zu diesem Geburtstag hat sie auch Frauen aus
der Nachbarschaft eingeladen. Durch Briefe aus dem Westen Deutschlands, die man zu diesem Zeitpunkt
schon empfangen konnte hat man erfahren das Alfred Dorka, der von Mai 1921 bis April 1937 als Lehrer
an der Volksschule angestellt war, verstorben ist. Aus diesem Anlaß hat man beschlossen an seine
Ehefrau Lotte Dorka, geborene Biella, einen Beileidsbrief zu schreiben.
Kurt Rattay
  
Aufnahme von 1949

Rohmanen den 19.3.1950
Meine liebe Frau Dorka!
Sie werden staunen von mir ein Schreiben zu erhalten.
Veranlassung dazu gibt mir der Tod Ihres lieben Mannes.
Empfangen Sie nachträglich mein tieffühlendes Beileid.
Im Geiste drücke ich Ihnen die Hand, mit Tränen im Auge.
Nur der kann Ihr unermeßliches Leid und Ihren Schmerz nachfühlen,
der es selbst erlebt hat. Gott stehe Ihnen bei und tröste Sie,
mache Sie stark und gebe Ihnen den Mut in dem jetzt so schweren
Dasein für Ihre Kinder zu sorgen und sie zu erziehen. Wir alle
hier Verbliebenen betrauern Ihren treuen Gatten, unseren lieben,
früher bei uns hier amtierenden Lehrer. Was er hier in unserem
Orte geleistet hat, werden wir nie vergessen. Er hat sich in
unseren Herzen ein Denkmal gesetzt. War bei jedermann beliebt,
somit halten wir ihm die Treue bis übers Grab hinaus. Möge er
nun sanft ruhen und ihm die, wenn auch nicht heimatliche Erde
leicht sein! Es deckt ihn jedenfalls, die deutsche Erde!
Wie schön, liebe Frau Dorka, das Sie Ihren Gatten noch gesehen
und gesprochen haben und seine Heimkehr erlebt haben und sein
Grab nun pflegen dürfen. Auch haben ihre Kinder den Vater nach
sovielen Jahren sehen können. Schlimmer wäre es wenn ihn Rußlands
Erde decken würde. So wäre es ihnen nicht vergönnt an seinem Grabe zu beten.

Heute am Sonntag Lätare, haben wir die alte Frau Makrutzki,
geb. Szepan zur letzten Ruhe geleitet. Wir alle folgen dem der
stirbt, so hatte sie viele Kränze und ein großes Gefolge.
So hatte sie es sich gewünscht, wie Frau Gallmeister es hatte.
Der Tod von Frau Gallmeister hatte uns sehr erschüttert. Mir
selbst ging es sehr nahe. Ich brachte sie ins Krankenhaus und wollte
sie gesund, sowie vor 2 Jahren, wieder heimbringen. Gott hat es in
seinem Ratschluß anders beschlossen und wir mußten sie schweren
Herzens der Erde übergeben. Wir Masuren hängen so fest an
einander, sind wir ja nur noch ein kleines Häuflein und werden immer und
immer weniger. Frau Gallmeister folgte August Linka, schon 3 Wochen
deckt ihn die Erde. - Heute hat Frau Willam, die bei mir wohnt Geburtstag.
Ich habe ihr einige Gäste eingeladen und die wollen sich in diesem Brief
an Sie - anschließen. Grüßen Sie bitte alle Ihre Lieben. Ihnen viele
herzliche Grüße aus Ihrer alten Heimat, Ihre mittrauernde
Marie Trzaska

  
  
Aufnahme von 1949

Meine liebe Nichte!
Zu dem so überaus schweren Verluste Deines lieben Mannes, spreche ich
Dir mein allerherzlichstes Beileid aus. Wer hätte es gedacht daß er
so früh scheiden wird und doch hat es Gott so gewollt. Er tröste Dich
in Deinem großen Schmerz.- Grüße Deine liebe Mutter und alle Deine
Lieben, dir besonders viele herzliche Grüße von Deiner mittrauernden Tante
Marie Radek

  
  
Aufnahme von 1949

Liebe Lottchen.
Zum Heimgang Deines lieben Gatten spreche ich Dir mein aufrichtiges
Beileid aus. Unfaßbar ist der Schmerz der Dich getroffen hat.
Mich traf dasselbe Los. Mir war es aber nicht vergönnt meinen Mann
zusehen, also viel schmerzlicher für mich. Es grüßt Dich sowie
Deine Lieben, in alter Treue Deine
Frieda Pelkowski

  
  
Aufnahme von 1949

Meine liebe Frau Dorka!
Auch ich spreche Ihnen mein herzliches Beileid aus. Ihr Schmerz
ist so groß daß viele Worte sich erübrigen und banal klingen. Gott
gebe Ihnen den Mut und die Kraft den schweren Schlag zu überwinden.
Psalm 23; Der Herr ist mein Hirte.
Viele Grüße auch von meinem Mann, Ihre mittrauernde
Ottilie Maczey

  
  

>> Quelle: Hartmut Dorka, Sohn von Alfred Dorka <<

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