Rohmaner Dorfchronik,  aufgezeichnet von Andreas Kossert

Herausgegeben zum 600. Dorfjubiläum am 16. Mai 1999

Rohmanen Dorfchronik - Titelblatt

Rohmanen - ein Dorf im Kreis Ortelsburg in Ostpeußen

                                                                                            - Zum Geleit -

   600 Jahre Rohmanen - ein Grund innezuhalten und sich zu besinnen. Über ein halbes Jahrhunden liegt es zurück, daß die meisten Rohmaner ihr Heimatdorf verlassen mußten. Als die preußische und deutsche Geschichte Rohmanens 1945 endete, war das Dorf bereits fast 550 Jahre alt. In dieser Zeit wechselte die Herrschaft recht häufig. Vor der Ortsgründung haben hier Gallindier gelebt, pruzzische Bewohner verschiedener Stämme. Mit der Dorfgründung 1399 wurde Rohmanen Teil des Deutschordensstaates, seit 1515 des Herzogtums Preußens, und seit 1701 des Königreichs Preußen und seit 1871 des Deutschen Reiches. Rohmanen erlebte schwere Zeiten, unterschiedliche Staatsfomen und Herrscher. Kriege verwüsteten das kleine Dorf unweit der Grenze. Tartaren brandschatzten es 1656/57, 1709/11 starben fast alle Rohmaner an der Pest. Später kamen russische Truppen im Siebenjährigen Krieg. Es folgten französische Armeen unter Napoleon auf dem Weg nach Moskau. 1914 geriet das Dorf in den Strudel des Ersten Weltkriegs und wurde von russischen Kosaken besetzt. Am 22. Januar 1945 fiel Rohmanen in die Hände der Sowjetarmee. Mit dem traurigen Gewaltakt der sowjetischen Truppen an der Rohmaner Zivilbevölkerung endete die "deutsche" Zeit. Allmählich siedelten die letzten Rohmaner in die Bundesrepublik über. Heute lebt schon die dritte Generation polnischer Rohmaner im Dorf. Fürwahr - eine bewegte wechselhafte Geschichte eines Dorfes mit einer sechshundertjährigen Vergangenheit!

   Zu danken ist allen die am Zustandekommen dieser kurzen Chronik mitgewirkt haben. Stellvertretend möchte ich aus unserem Rohmaner Team nennen: Edith Ickert geb Opretzka und Kurt Rattay. Viele Informationen stellten mir Rohmaner zur Verfügung, die ich bereits vor vielen Jahren besuchte. Von ihnen möchte ich besonders erwähnen. Herta Dors geb. Dorka, Marta Jeromin geb. Biella, Anna Both geb. Radek. Erich Lemke und Reinhold Brosch. Meinem Großvater Otto Biella bin ich besonders dankbar. Seinen Erzählungen verdanke ich viele Einblicke in das Rohmaner Leben. Viele meiner Interviewpartner aus der Zeitzeugengeneration leben leider nicht mehr. Ich möchte einige Namen hilfsbereiter Rohmaner stellvertretend und andenkend nennen: Marie Weide geb. Biella, Erich Raatz, Wilhelm Gloddek, Gustav Brosch, Ottilie Indinger geb. Nickel, Gustav Linka, Ottilie Mazcey geb. Koletzki und Grete Willam.

   Chroniken erfreuen sich heute wachsender Beliebtheit. Für meine Materialsammlung konnte ich nur wenige schriftliche Dokumente finden, denn fast alle Rohmaner konnten nur ihre notwendigsten Habseligkeiten mitnehmen. Manche kamen sprichwörtlich mit dem nackten Leben davon. Deshalb kann eine Chronik über ein Dorf im fernen Ostpreußen nur lückenhaft sein. Die wenigen geretteten Dokumente ergeben zwar Einblicke in Familiengescbichten, doch bleibt vieles vom Alltagsleben, von den freudigen und traurigen Ereignissen im Dorf für immer verloren. Daher muß auch diese Chronik mit dem Defizit leben, unvollständig zu sein. Sie kann nicht den Anspruch auf Vollständigkeit erheben, zuviele Informationen fehlen uns. Auch bei den Totenlisten, die im Anhang zur Erinnerung festgehalten wurden, mag es Unstimmigkeiten geben. Mehr als fünfzig Jahre nach Kriegsende ist das nicht zu vermeiden, denn die Rohmaner sind in alle Winde verstreut. Ich habe versucht, die Geschichte Rohmanens möglichst nahe an der Wirklichkeit wiederzugeben. Ideologie und Wunschdenken sollten darin keinen Platz finden, sondern allein die angemessene Darstellung des Lebens unserer Vorfahren. Ob das auf so kurzem Raum möglich ist, mag bezweifelt werden - ich habe es versucht und die Leser mögen selbst ihr Urteil bilden.

   Möge diese kleine fragmentarische Ortsgeschichte trotz aller Lücken dazu beitragen, daß Rohmanen, seine sechshundertjährige Geschichte und seine einstigen Bewohner nicht vergessen werden.

                                                                                                                                            - Einführung -

   Vier Kilometer nordwestlich der Kreisstadt Ortelsburg liegt Rohmanen an der von mächtigen Linden und Eschen gesäumten 1888 erbauten Landstraße, die Ortelsburg mit der benachbarten Kreisstadt Bischofsburg verbindet.

   Die Entfernung zum nächsten Nachbardorf Lehmanen beträgt drei Kilemeter. Östlich des Dorfes liegt Seelonken (nach 1938 Ulrichssee) zwischen Großem und Kleinem Sylvensee. Westlich, am Rande des Damerauer Forstes, liegt drei Kilometer entfernt das Nachbardorf Eichthal. Folgt man der Rohmaner Dorfstraße weiter nach Nordwesten gelangt man über den Damerauer Höhenzug nach gut fünf Kilometern nach Neu-Keykuth. Nördlich liegt das kleine Dorf Kaspersguth und nordwestlich das Kirchdorf Groß Schöndamerau, das über einen Feldweg vom Dorf erreichbar ist.

   Rohmanen liegt eingebettet in den Damerauer Höhenzug, dessen höchste Erhebung sich innerhalb der Rohmaner Gemarkung auf etwa 200 Meter erstreckt. Die Endmoräne bestimmt die hügelige Landschaft mit unterschiedlicher Bodenklasse. Rohmanens Umgebung ist aufgrund ihrer kargen Böden als "steinreich" bekannt gewesen. Daher verdienten viele Rohmaner im Winter ein Zubrot mit Steinverkauf. Auf den Höhenzügen standen anspruchslose Kiefernwäldchen und Kaddik (Wacholderrsträucher), während die Täler fruchtbarer waren.

   Das Dorf selbst gruppiert sich vor allem um den Rohmaner Dorfteich, der im Volksmund auch "stawek" genannt wurde. Rohmanen besteht aus zwei Straßen, einer Hauptstraße und einem Nebenweg, der östlich am Dorfteich entlang in Richtung Kaspersguth führt. Die Schule als öffentliches Gebäude befand sich linkerhand der Hauptstraße auf einer Anhöhe über dem Dorfteich.

   Am Dorfeingang links führt ein Feldweg zum Rohmaner See, dem "Romanek". Dieser auch von den Ortelsburgern gern genutze Badesee gehört zur Gemarkung Rohmanen und bot Kindern und Jugendlichen im Winter wie im Sommer zahlreiche Freizeitmöglichkeiten.

                                                                                                                                - Zur frühen Ortsgeschichte -

   Die Gemarkung Rohmanen, im Bereich des Damerauer Höhenzugs gelegen, war schon in der Vorzeit besiedelt. 1928 fand man in der Rohmaner Feldmark auf dem Feld des Bauern Gustav Rattay ein Steinkistengrab aus der Jungsteinzeit, das sorgfältig geborgen und dokumentiert wurde.

   Bevor der Deutsche Orden nach Preußen kam, gehörte Rohmanen zur Landschaft Galinden. Ob es direkt pruzzische Bewohner an der Stelle des späteren Rohmanens gegeben hat, ist ungewiß. 1360 wird das "Amt Ortelsburg" erstmals erwähnt. Vor dem Schloß, das damals sicher nur als eine einfache Holzbefestigung vorzustellen ist, wurde in einer Handfeste die Ansiedlung polnischer Beutner (Biener, Imker) erwähnt (auf dem Gebiet des späteren Beutnerdorf). Südlich von Ortelsburg befand sich ein langer natürlicher "Schutzwall" aus dichten Wäldern, die den Ordensstaat vor polnischen und litauischen Angreifern schützen sollten. Daher begann man Ende des 14. Jahrhunderts zuerst mit der Besiedlung des nordwestlichen Teils der Ortelsburger Region. 1381 wird das Dorf Grammen gegründet, 1389 folgt Groß Rauschken und 1388 Waplitz. 1386 erhält Passenheim, damals als "Heinrichswalde" bekannt, Stadtrecht. Einige Jahre später drang die Besiedlung über den Großen Schobensee weiter in östliche Richtung. Im Gebiet zwischen Schoben- und Waldpuschsee war "Leynau" die älteste Dorfgründung (1387). 1391 folgte das Kirchdorf Schöndamerau. Es ist dabei zu bedenken, daß Groß Schöndamerau lange vor Ortelsburg ein Kirchdorf war. Durch Rohmanen führte der alte sogenannte "Kirchweg" von Ortelsburg nach Schöndamerau, der noch bis 1945 als öffentlicher Fußweg kenntlich war. Lange Jahre gingen Ortelsburger und Rohmaner nach Schöndamerau zur Kirche. 1399 erfolgte die Gründung Robmanens. "Kekott" oder "Kykutt" (Neu-Keykuth) muß ebenfalls in dieser Zeit entstanden sein, könnte aber bereits auf eine pruzzische Siedlung zurückgehen. Mit der Gründung der Nachbardörfer Seelonken (1408), Caspersguth (1437) und Lehmanen endete die Kolonisationsphase des Ordens zwischen Schoben- und Waldpuschsee.

   Rohmanen zählt zu den nördlichen älteren Siedlungen des Kreises Ortelsburg. Am 11. November 1399 verlieh Conrad Graf von Kyburg, Komtur von Elbing, einem polnischen Lehensmann Peter Mirawitz 50 zur Gründung des Dorfes "Rome". Mit der Verleihung verband sich die VerpflichtUng, 45 Hufen mit Bauern zu besetzen. Mirawitz übte die Funktion eines "Locators" aus, der den zehnten Teil der Dorfgemarkung, also 5 Hufen, als erblichen Besitz erhielt. Gleichzeitig übernahm er als Schulze die niedere Gerichtsbarkeit und Polizeigewalt. Der Locator war von Steuer- und Abgabelasten für die verschriebenen 5 Hufen befreit. Eine altkulmische Hufe umfaßte 30 kulmische Morgen, die insgesamt eine Fläche von 16,796 Hektar ergeben (knapp 66 preußische Morgen). Erste Nennungen sprechen von Rohmanen als "Rome", später erst wird daraus Romanen, Romahnen und Rohmanen. Auf polnisch und masurisch heißt das Dorf "Romany". Ob der Name pruzzischen Ursprungs ist, liegt im unklaren.

   Rohmanen wurde als Zinsdorf gegründet, dessen Bewohner neben festgesetzten Abgaben pro Hufe (jeder Bauer erhielt anfänglich 2 Hufen) auch Scharwerkdienste zu leisten hatte. Dazu gehörten vor allem Arbeiten auf den grundherrlichen Vorwerken in Ortelsburg. Die Bauern mußten zusätzlich zu ihrer eigenen mühseligen Arbeit dort Heumachen, Getreidemähen, Spanndienste beim Burgbau und Straßenausbau leisten sowie Treiberdienste bei einer Jagd verrichten. Nach der Ordenszeit steigerte sich die Scharwerkslast noch weiter und viele Dörfer baten verzweifelt um Nachlaß, da die Wege zum Vorwerk oft so weit waren, daß die eigene Hofarbeit liegen bleiben mußte.

   Die Besiedlung schritt nur sehr langsam voran. Wir wissen nicht genau wer die ersten Siedler waren und woher sie stammten. Doch wie überall in Masuren, wird der Großteil bereits zur Ordenszeit aus den südlichen polnischen Gebieten herübergekommen sein. 1425 werden erst acht Bauern erwähnt. 1539 ergibt eine Steuerliste bereits eine klare Dominanz polnischer Namen. Diese recht einfachen Vor- und Familiennamen erschweren allerdings eine eindeutige Zuordnung, da zu diesem Zeitpunkt Namen noch stark variierten. In dieser Steuerliste sind erstmals die Rohmaner Bewohner namentlich erwähnt:

   Nickel Kokytka, Jacob Castelan, Pauel, Jacob Kytka, Merten, Steffen Jewerack, Nicel Salenczky, Pan Loma, Merten Rugma, Matz Klosse, Jacob Klosse, Symon, Jan Schkura, Jacob Frona, Jan Pitora, Wippich, Woytke Brimek, Andretz Sylla, Jacob Orsel, Nicel Jan, Matz Cintera, Matz Broschke (Brosch ?], Woytke, Jan Kneyse, Andretz Kneise (Krüger und Schul), Jorge Fischer, Gosdeck, Laurencz, Pastor.

   1565 waren von den 45 Bauernhufen nur 12 besetzt, der Rest,lag brach. Auch für das 17. Jahrhundert gibt es Hinweise, daß die Mehrheit der Feldmark "wüst" lag. 1717 waren es sogar 35 Hufen. Das allerdings ist mit der Pest der Jahre 1709/11 zu erklären, die gerade im südlichen Preußen große Opfer forderte. In der Pestzeit muß das Dorf fast vollständig ausgestorben gewesen sein. In jedem Fall waren es höchstens ein paar Familien, die auch nach der Pest noch im Dorf ansässig waren.

   Nach der Pest versuchte die preußische Regierung gezielt polnische Bauern aus Masowien zur Neubesiedlung nach Masuren zu holen. Das Land lag brach und drohte wieder zu einer Steppen- und Urwaldlandschaft zu verkommen. Deshalb setzte man sogenannte "Assekuranten" - Neusiedler - an, von denen einige bis 1945 im Dorf ansässig waren. Die ältesten nachweisbaren Familiennamen im Dorf stammen aus einem Verzeichnis von 1717: Makrutzki, Maczey, Biella, Spittka. Diese vier Namen sind bis 1945 nachweisbar und entstammen alle Neusiedlerfamilien nach der Pest. Es hat also einen fast vollständigen Bevölkerungsaustausch und Neubeginn nach 1709/11 gegeben.

   Die BesitzverhäItnisse wechselten auch sonst recht häufig. Entgegen der landläufigen Vorstellung, daß Bauern jahrhundertelang auf "ihrer Schollen" saßen, zeigt sich gerade in Masuren eine starke Mobilität. Mitte des 18. Jahrhunderts läßt sich eine spürbare Aufwärtsbewegung feststellen. Folgende Assekuranten siedelten zu diesem Zeitpunkt auf dem Rohmaner Land:

   Christoph Wilhelm Lemke, Mathes Broschk [Brosch), Andreas Broschk, Martin Bannach, Andreas Biella, Christoph Biella, Martin Biella, Michel Kobrin, Mathes Kobrin, Christoph Lomoth, Christian Szepan, Martin Lichtenstein, Paul Podrzesky, Paul Lipka, Jan Wiercioch Wilhelm Speer, Andreas Makrutzky, Andreas Szcepan, Johann Nowack, Michael Soltek, Albrecht Urban, Bartek Stoppa, Christoph Wiercioch.

   Aus dieser Liste der Neusiedler gehen weitere Namen hervor, die bis 1945 in Rohmanen vertreten waren, unter ihnen Lemke und Brosch. Schulze (masurisch: woyt, später Gemeindevorsteher) des Dorfes war zu dieser Zeit ebenfalls ein Lemke. Diese Familie, bis 1945 in Robmanen ansässig, besaß das kölmische Grundstück, das noch aus der Dorfgründungszeit 1399 besondere Privilegien genoß. Einen interessanten Einblick in das Leben des Dorfes erhalten wir in einer amtlichen Beschreibung von 1779, worin es heißt:

   "In diesem Dorfe befinden sich folgende Einwohner: 1 Köllmer [Lemke], 21 Assekuranten oder Scharwerks Freye, 3 Scharwerksbauern, 1 Schmidt der aber auch zuzgl. unter diesen Assekuranten begriffen ist, 1 Schulmeister, 2 Instleute, 1 Hirth... der Acker ist nur schlecht, besteht aus lauter Sand und Steinen, wird in 3 Felder eingetheilt [Dreifelderwirtschaft], wovon jährlich 1 Feld brache liegen bleibt .... der gegenwärtige Viehbestand des ganzen Dorfes besteht in: 50 Pferde, 2 Fohlen, 70 Ochsen, 25 Kühe, 41 Jungvieh, 157 Schaafe und 42 Schweine.."

   Die Verhältnisse werden als armselig beschrieben, so daß sie kaum soviel erwerben als zu ihrer höchsten Nothdurft erfordert, der Kartoffelanbau ist ihre hauptsächliche Nahrung. Unsere Rohmaner Vorfahren hatten ein hartes Leben. Der Boden war, wie der Bericht zeigt, sehr schlecht. 1787 werden die Schulmeister Knischewski und Jacob Broska erwähnt, Woytek Sabbatta war der von der Dorfgemeinschaft beschäftigte Dorfhirt. Im Gegensatz zu den sogenannten kölmischen Dörfern war Rohmanen ein Zinsdorf, dessen Bauern bei den staatlichen Domänen in Ortelsburg Fron- und später Scharwerkdienste verrichten mußten. Erst im 19. Jahrhundert konnten sich die Rohmaner Bauern aufgrund einer staatlichen Neuregelung von diesen Belastungen freikaufen. Im Dorf muß es schon früh eine Schmiede gegeben haben. 1824 wird der Lohnschmied Wallach, später ein llewsky, erwähnt. 1840 verzeichnet eine Bauernliste folgende Hofbesitzer im Dorf: Wilhelm Lemke, Martin Drewelius, Johann Sadlock, Jacob Brosch, Martin Grabowsky, Bartel Biella, Gottlieb Kobrien, Andreas Karowsky, Friedrich Risch, Samuel Bach, Johann Linzann, Friedrich Czuback, Johann Poczesny, Andreas Paykowsky, Louise Gollan, Gottlieb Stoppa, Michael Krupka, Christoph Libba, Friedrich Loeber, Christoph Waschk, Johann Bednarz, Johann Deptolla, Jacob Linka, Bartel Krupka, Michael Biella, Friedrich Tulowietzki, Friedrich Matzczey, Friedrich Wiwianka, Adam Slopianka, Matthes Matzczey, Michel Czubach, Michel Wierzczock, Christoph Bannach, Johann Bannach, Louise Kozik und Friedrich Wittkowsky.

   Die 1840 stattfindende Gemeindeauseinandersetzung, d.h. die Neuordnung und Zusammenlegung der Grundstücke und Felder sowie der endgültige Freikauf von Scharwerksdiensten ergab für die Gemarkung Rohmanen insgesamt eine Fläche von 3.641 Morgen. Nach dieser Neuordnung der Besitzverhältnisse war es erstmals möglich, Felder in einem großen Stück zusammenzulegen. Deshalb setzte seit Mitte des 19. Jahrhunderts eine Siedlungstätigkeit ein, die in der Rohmaner Feldmark die sogenannten "Abbauten" schuf. Viele Rohmaner Bauern siedelten aus dem Dorfkern in die Mitte ihrer eigenen Felder. Die Abbauten (masurisch "Wynara") in der Feldmark, vor allem nach Westen und Norden, prägten die Landschaft maßgeblich. Mehr als ein Drittel aller Höfe lagen seit der Mitte des 19. Jahrhunderts in der Dorfgemarkung.

   Ein Problem im Zuge der Flurbereinigung konnte ebenfalls gelöst werden: Rohmanen litt chronisch unter dem Mangel an Wiesen zur Heugewinnung. Deshalb mußten Ersatzflächen geschaffen werden. Hierfür erhielten die Rohmaner Bauern Wiesenflächen in den feuchteren Gegenden südlich und westlich von Ortelsburg. Dazu gehörten Wiesen in Neu-Scbiemanen, Schodmack, Seedanzig, aber auch im Schleusenwald und am Waldpuschsee. Allerdings bedeutete das, daß die Bauern zur Heuemte häufig über 10 Kilometer fahren mußten, was sich bei der Straßenlage und den Pferdegespannen nicht einfach gestaltete.

                                                                                                                                - Rohmanen bis 1914 -

    Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts stieg die Einwohnerzahl deutlich an. Zählte Rohmanen (1836) 268 Einwohner, waren es (1862) bereits 342.

   Zur Schulgeschichte gibt es einiges zu berichten. Die Schule wurde bereits im 18. Jahrhundert gegründet, wahrscheinlich zur Zeit König Friedrich Willlelms I. 1838 setzte sich der Robmaner Schulvorstand aus dem Schulzen Lemke, Michael Biella, Mathias Maczey und Johann Bannach zusammen. Der Schulvorstand hatte die Aufgabe, für die Einstellung der Lehrer zu sorgen, das Schulgeld des Dorfes einzutreiben sowie den Bau und die Instandsetzung der Schulgebäude zu überwachen. Im selben Jahr starb der langjährige Lehrer Jacob Knischewski. Der Schulvorstand zusammen mit dem Ortsschulinspektor, dem Ortelsburger Pfarrer, begaben sich auf die Suche nach einem geeigneten Nachfolger. Alle Volksschulen waren bis 1918 konfessionell, so daß auch die Rohmaner Schule der Disziplinaraufsicht der Evangelischen Landeskirche unterstand 1839 kam als Nachfolger Knischewskis Lehrer Samuel Schmidt nach Rohmanen, der zuvor in Seedanzig tätig war. Schmidt stand in ständigem Streit mit der Dorfgemeinde. Über ihn wurde häufig Klage eingereicht. Bei einer Schulinspektion durch den Ortelsburger Pfarrer wurde er sogar mit einem polnischen Dienstmädchen im Bett aufgefunden. 1850 verklagt der Rohmaner Bauer Christoph Liba den Lehrer Schmidt, weil dieser seinen Sohn mit "geballter Faust und Gürtel mißhandelt" habe. 1872 klagte der Wirt Grzanna gegen Schmidt, weil dieser drei Birnbäume ohne Erlaubnis abgehauen hatte. 1874 gipfelte Schmidts Fehlverhalten in einer ernsthaften Rüge durch die Schulinspektion. Der Ortelsburger Pfarrer berichtet dazu in seinem Protokoll:

   "Die Kinder zeigen an der Karte Gumbinnen u. Königsberg in Polen, der Lehrer fand selbst Stettin kaum.

   Die Schule zu Rohmanen ist von all den Schulen, die ich bis dahin im Kreiß gesehen habe, auf dem niedrigsten Standpunkt. Der Lehrer Schmidt ist aber ganz und gar unfähig zu unterrichten ..."

   Es wurde festgehalten, daß er kamn deutsch sprach, was zu dieser Zeit wenigstens von einem Lehrer zu erwarten war. Auf die Vorwürfe wehrte sich Schmidt und schrie den Pfarrer als Ortsschulinspektor mit dem masurisch-polnischen Ausdruck für"Halts Maul"...(laut Bericht des Pfarrers) an. Daraufhin versetzte der Disziplinarvorgesetze den Lehrer zwangsweise in den Ruhestand. Schmidt war insgesamt 33 Jahre Lehrer in Rohmanen!

   Dem unrühmlichen Schmidt folgte Hauptlehrer Albert Nadrowski im Jahr 1875. 1888 nahm Hauptlehrer Hermann Reinhardt dessen Stelle ein. Seit 1883 gab es in Robmanen eine zweite Lehrerstelle, die erstmals mit Friedrich Wilhelm Koschorrek besetzt wurde. Weitere Lehrer waren bis etwa 1910 u.a. Emil Klimaschewski, Johann Lumma, Emil Kühnhardt, Friedrich Koch, Fritz Seiler, Gustav Liechtenstein und Johannes Puzicha. 1882 erhielt der erste Lehrer folgende Dotation von der Rohmaner Schulgemeinde: 16 Scheffel Roggen, 11 Scheffel Gerste, 6 Zentner Heu, 1 Schock Stroh, 20 Fuder Dünger sowie einen Barbetrag von der Gemeinde in Höhe von 278 Mark. Zudem mußte die Dorfgemeinde Bestellung und Düngung der Felder des Lehrers übernehmen.

   1892 plante man den Neubau einer Schule. Die alte 1828 aus Holz erbaute Schule konnte die steigenden Schülerzahlen nicht mehr fassen. Ein Baukostenvoranschlag von 1892 beziffert die Gesamtkosten auf 15.081 Mark, wovon die Gemeinde 7.349 Mark aufbringen sollte. Zwar sah die Gemeinde die Notwendigkeit zum Neubau einer Schule ein, doch bedeutete der eigene Schulbeitrag ein großes Opfer für die relativ arme Gemeinde. Zusätzlich gab es andauernd Streit mit Eichthal und Kaspersguth, die aus dem gemeinsamen Schulverband aussteigen wollten und ihre eigenen Schulen forderten. Kaspersguth erhielt dann auch 1911 seine eigene Schule. Die Eichthaler Kinder gingen später nach Kobbelhals zur Schule. Zeitweise besuchten auch die Kinder des nördlichen Ortelsburger Abbaus die Rohmaner Schule.

   1896 wurde der heutige Schulbau aus rotem Ziegelstein fertiggestellt. Doch bald erwies sich auch diese neue Schule als zu klein. Daher schloß der Schulvorstand mit August Raatz 1905 einen Mietvertrag. Letzterer stellte ein Klassenzimmer und zwei Stuben nebst Küche für einen Lehrer sowie ein Stück Garten für eine jährliche Miete von 320 Mark zur Verfügung. In diesem Jahr waren Reinhardt (1. Lehrer), Puzicha (2.) und Schirrmann (3.) in Rohmanen tätig. Im "Jahresbericht über die Volksschule zu Rohmanen" für 1905 heißt es: Patron der Schule war die Königliche Regierung zu Königsberg, Orts- und Kreisschulinspektion Ortelsburg, Schulvorstand Gemeindevorsteher Biella und Wilhelm Pilath.

   Der Schulverband Robmanen zählte 1905 insgesamt 150 Haushaltungen mit 186 Kindern. Auf Rohmanen entfielen 122 Haushalte mit 146 Kindern, auf Kaspersguth 18 Haushalte mit 22 Kindern und auf Eichthal 10 Haushalte mit 12 Kindern. Von den Kindern galten von der Muttersprache nur zwei als "deutsch", 184 als "nichtdeutsch", da sie im Dorf und in der Familie als Umgangssprache masurisch sprachen. Der Schulhof umfaßte 480 qm, der Turnplatz 420 qm. Zusätzlich gab es einen Schulgarten mit 120 qm und Schulland von 25 Hektar, die der Lehrer entweder selbst nutzen oder verpachten konnte, um sein geringes Gehalt aufzubessern. Die Schule bestand aus zwei Klassenzimmern, 5 Wohnräumen (4 für den 1. Lehrer, 1 für 2. Lehrer).

   Weitere Lehrer bis zum ersten Weltkrieg waren Skierlo, Hundsdörfer und Maleyka. 1910 starb Hauptlehrer Reinhardt, der sehr beliebt war und 22 Jahre in Rohmanen wirkte. 1910 beantragte der Schulvorstand nunmehr einen Nachfolger einzustellen, der nur deutsch spricht,damit Deutsch mehr Verbreitung findet".
1911 kam Ernst Müller als Hauptlehrer nach Rohmanen.

   Wie sah das Dorfleben bis zum Ersten Weltkrieg aus? Unsere Vorfahren waren alle einfache Bauern. Großgrundbesitz gab es nicht, auch keine höhere Schulbildung. Bei der Flurauseinandersetzung 1855 konnte weniger als die Hälfte der Rohmaner Bauern mit dem eigenen Namen unterschreiben. Die berühmten "xxx" standen an dessen Stelle. Wie überall mußten auch die Rohmaner Schulkinder in der Landwirtschaft helfen. Eltern schickten ihre Kinder in der Erntezeit gar nicht in die Schule. Manche Kinder, besonders die armer Instleute, wurden von ihren Eltern als Viehhirten verdingt, wodurch ihre Schulbank die meiste Zeit des Jahres leer blieb. In den masurischen Holzbäusem lebten Familien auf engstem Raum, die hygienischen Bedingungen erwiesen sich daher als äußerst dürftig. Eine Folge von Armut, fehlender ärztlicher Betreuung und dem Mangel an Sanitäranlagen war die extrem hohe Kindersterblichkeit. Das harte Los unserer Vorfahren sollte man nicht romantisieren, sondern ihrem Schicksal und ihrem Schaffen voller Respekt und Mitgefühl gedenken.

   Da die Landwirtschaft nicht für alle Kinder genügend Arbeit bot, setzte mit der Reichsgründung 1871 eine immense Auswanderungswelle in das Ruhrgebiet ein. Auch Rohmaner gingen nach Westfalen. Fast alle Rohmaner Familien hatten Verwandte im "Reich, die sich im Bergbau eine bessere Zukunft erhofften. Im Sommer kamen sie häufig nach Masuren zu Besuch, denn sie hingen an ihrer Heimat. Man nannte sie "westfaliki". Der alte Both sowie Johann Linka arbeiteten noch vor 1900 in westfälischen Bergwerken, sparten etwas Geld und kehrten dann nach Rohmanen zurück. Gustav Linka wurde 1907 in Gelsenkirchen geboren.

   In Rohmanen, wie im übrigen Masuren auch, war die Umgangssprache bis 1914, zum Teil auch nach dem Ersten Weltkrieg, masurisch. Masurisch ist ein altpolnischer Dialekt, den die Einwanderer aus Masowien mitgebracht haben. Das Masurische war ein sehr derbes Polnisch, welches mit einigen deutschen Lehnwörtern versehen war. Bis 1872 wurde in der Rohmaner Dorfschule nur polnisch unterrichtet, deutsch war Fremdsprache. Dann allmählich lösten die preußischen Behörden die polnische Sprache ab und ersetzten sie durch das Deutsche. Das Masurische blieb aber auch später die Umgangssprache. Auch die Gemeindeversammlungen fanden in dieser Sprache statt. Auf der Dorfstraße war fast ausschließlich masurisch zu hören. Diese Sprache unserer Vorfahren betrachteten die deutschen Behörden nach 1918 mit einem unverständlichen Argwohn. Daher setzte man alle Mittel ein, sie immer weiter aus dem öffentlichen Leben zu verdrängen. Doch sprachen vor allem die alten Rohmaner bis 1945 untereinander sowie auch in vielen Familien noch masurisch, da es die heimatliche Sprache des Dorfes und der Familie war.

   Für die Schulkinder war es häufig ein Problem. Zuhause sprach man masurisch, aber in der Schule lernten sie deutsch. Daher war das Deutsche häufig eine Fremdsprache. Die Lehrer achteten sehr darauf, daß die Kinder richtig sprachen. Wurde ein polnisch-masurischer Ausdruck benutzt, griff der Lehrer oft zum Rohrstock. Viele Rohmaner benutzten aber auch im Deutschen häufig noch einige gebräuchliche masurische Wörter. Welcher Rohmaner kennt nicht eine "stara chaluppa" (alte Kate), "stawek" (Teich), "lasaki" (Waldmenschen, Hinterwäldler), "chodaki" (Schuhe), "pschijak" (Trinker), "gromadki" (fromme Christen) oder "zatschirki" (Mehlsuppe) usw. (nach der Aussprache wiedergegeben). Leider gibt es heute keine Rohmaner mehr, die masurisch noch fließend sprechen können. Aber aus der Rekonstruktion ergaben sich zum Beispiel folgende Flurnamen in der Rohmaner Gemarkung. "barana gora" nannte man eine Anhöhe Richtung Seelonken (Felder von Linka und Kownatzki). Ebenso gab es die "keykutskie pole", die "zielonskie pole" und kasperskie pole", die die Felder in Richtung der jeweiligen Dörfer auswiesen. In der Dorfschule wurde am Weihnachtsmorgen eine "Jutrznia" (Morgenfeier) organisiert, in denen die Schulkinder die Weihnachtsgeschichte singend und spielend aufführten. In Groß Schöndamerau fand die "Jutrznia" in der Kirche statt. Da sie sich großer Beliebtheit erfreute, gingen auch viele Rohmaner dorthin.

   Die Großmutter war die "groska", der Großvater der "grosek", Sohn "synecku" und Tochter "corecko". Mutter "matecku." und Vater "ojculku." wurden in der 3. Person angeredet. Die Tante war die "schotka", der Onkel der "wujek". Der Pfarrer war der "kschundz", zur Hochzeit ging man "na wesele" und zur Beerdigung "na pogrzeb". "Bidlo" war das Vieh, "drigant" der Hengst und "suka" die Hündin. Unter den Fischen gab es den "scubel" (Hecht), "poloschicka" (Plötz) und den "wengorz" (Aal). Ging man zum Fische fangen, sagte man "na ryby fitac", zum See "na jezorze". Das Gasthaus Trzaska war die "karcma", nach Ortelsburg fuhr man "do nasta/miasta" (in die Stadt). Häufiges Essen in Masuren waren "zatschirki", eine Mehlsuppe mit Klunkern, häufig gab es auch "kluski" (Klöße) oder "kascha" (Grütze). Die Getreidearten bildeten die Haupternährungsquelle der Bauern: "zito" (Roggen), "jinznin" (Gerste), "psinitza" (Weizen), "oschez" (Hafer) und "gryka" (Buchweizen). In den Wäldern Masurens wuchsen unterschiedlichste Pilze, die teilweise kaum korrekt deutsch wiederzugeben sind. So gab es die "proschtnanki" (?), "pimpki" (Butterpilze) und eine Besonderheit Masurens, die "krschunsze" (Sandpilze). Auch mangelte es nicht an deutlichen Schimpfwörtern, die eine ganze Palette an Bezeichnungen liefern. Der Vollständigkeit halber seien einige genannt, da sie auch zum Alltag unserer Vorfahren gehörten, wie "przygubek" (Schacherer, Betrüger) und "ledwoch" (Versager), oder auch "pschakrew" (Hundeblut, ein Fluch) und "glupscha malpa" (dummer Affe). Im Masurischen wurden auch viele Rohmaner Familiennamen anders ausgesprochen. Beispiele finden sich viele, u.a. "Bschela" statt Biella, "Pschilat" statt Pilath, "Jittkowski" statt Wittkowski, "Deptula" statt Deptolla, "Tuloschitzek" statt Tulowitzki.

   In jedem Haushalt befand sich eine masurische Bibel, Gesangbuch und Andachtsbuch. Viele gläubige Rohmaner abonnierten den kirchlichen "Pruski Przyjaciel Ludu" (preußischer Volksfreund), gingen nach Ortelsburg zum masurischen Gottesdienst oder hielten zuhause Hausandachten. Im Masurischen gab es einen reichen Lied- und Gedichteschatz. Eines der berühmtesten masurischen Lieder ist das Erntedanklied "Das Feld ist weiß", das erst im letzten Jahrhundert verdeutscht wurde. Im masurisch-polnischen heißt es "Pola iuz biale".

   1905 hatte Friedrich Biella das Amt des Gemeindevorstehers inne. Dorfschöffen waren Tulowitzki und Fomferra. Zur Gemeindevertretung gehörten ferner Friedrich Trzaska, Adam Deptolla, Jacob Maczey, Martin Biella, Wilhelm Spittka und Johann Chittka. Das Dorf zählte 1905 664 Einwohner (1895: 611) und 150 schulpflichtige Kinder. 608 Rohmaner gehörten der evangelischen Landeskirche an, die übrigen 56 zählten zu evangelischen Freikirchen (vor allem Baptisten). In der amtlichen preußischen Volkszählung wurde auch die Muttersprache gezählt. Danach gaben 557 masurisch, 35 deutsch als Muttersprache an. Nach dem Ersten Weltkrieg änderten sich die Zahlenverhältnisse zugunsten des Deutschen.

   In der Rohmaner Feldmark wurden Kalksteine gefunden. Daher errichteten einige Rohmaner Bauern Kalkbrennöfen auf ihren Flurgrundstücken. Insgesamt haben wohl vier solcher Öfen bestanden, die die fertigen Kalksteine nach Ortelsburg und Umgebung verkauften. Das Ortelsburger Gerichtsgefängnis und das Lehrerseminar wurden aus Rohmaner Kalk gebaut. Aufgrund einiger Lehmvorkommen nutzten einige Bauern auch diese und brannten Lehmziegeln. Dadurch wurden zur Jahrhundertwende allmählich einige massive Häuser errichtet. Allerdings setzten sich massive Häuser erst nach dem Ersten Weltkrieg endgültig durch. Bis dahin dominierte in Masuren überall Holzhäuser, mit dem Giebel zur Straße und strohgedeckt. Johann Dembek unterhielt bis Anfang des 20. Jahrhunderts einen Töpferbetrieb, in dem er auch Schüsseln, Töpfe und sogar bunte OfenkacheJn herstellte.

   Das Fischereirecht im Rohmaneksee besaß seit 1786 das Gut Frenzken. Der Rohmaner Dorfschulz konnte jedoch per Privileg von 1399 - also aus dem Gründungsjahr - eine Nutzung für den Eigenbedarf in Anspruch nehmen. 1859 bezeugte Wilhe1m Lemke, daß er als Dorfschulz sein Fischereirecht weiterhin gebrauche. In den Akten wird der Rohmanek früher manchmal auch "Klein Frenzken" genannt.

   Kurz vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges wurde in Ostpreußen eine Viehzählung durchgeführt. Danach zählten man in Rohmanen am 1. Dezember 1913 83 viehhaltende Haushaltungen: 130 Pferde, 322 Stück Rindvieh, 46 Schafe, 295 Schweine, 2 Ziegen, 386 Gänse, 82 Enten, 990 Hühner, 43 Truthühner, 38 Bienenstöcke, 269 Apfelbäume, 223 Birnbäume, 267 Pflaumen/Zwetschenbäume, 605 Kirschen und 4 Walnußbäume.

                                                                                                                                - Rohmanen im Ersten Weltkrieg -

   Als der Erste Weltkrieg Anfang August 1914 auch in Deutschland ausbrach, war das südliche Ostpreußen massiv von russischen Truppen bedroht. Am 20. August 1914 überschritt die russische Narew-Armee unter General Samsonow die Ortelsburger Kreisgrenze. Bereits einen Tag später, am 21. August, wurde Ortelsburg kampflos von deutschen Truppenteilen geräumt.

   Am 21. August 1914 kam der Krieg direkt nach Rohmanen. Interessanterweise beschossen deutsche Geschütze das Dorf von den Lehmaner Bergen. Dadurch wurde das Dorf stark in Mitleidenschaft gezogen. An diesem Tag brannten acht Höfe vollständig ab: Pietzonka, Rogalla, Trzaska, Bach, Ladda, Baran, Nickel und Gollan. Zusätzlich brannten die Wirtschaftsgebäude von sieben weiteren Höfen nieder, u.a. bei Biella. Das Dorf wurde von den Russen besetzt. Ein großer Teil der Rohmaner war bereits auf der Flucht in Richtung Bischofsburg. Am 21. August war das Dorf von den Russen besetzt.

   Beim Einmarsch der Russen wurden drei (andere Quellen berichteten von fünf: zusätzlich Wilhelm Knizewski und Friedrich Robmann) Rohmaner als angebliche "Spione" erschossen. Es waren der Rohmaner Hauptlehrer Ernst Müller (39 Jahre) und sein Sohn Alfred (14 Jahre) sowie der Bauernsohn Karl Deptolla. Die Ermordung der drei Rohmaner erschütterte die Bevölkerung. Alle drei wurden als Spione verhaftet, gefoltert und nach Lehmanen getrieben, wo sie ermordet und verscharrt wurden. Auf dem Feld von Chittka-Lehmanen wurden sie Heiligabend 1914 gefunden, grausam mißhandelt und ermordet. Die Gattin und Mutter, Frau Müller, ließ an den Gräbern der beiden Müllers folgenden Spruch anbringen:"Über den Sternen wird es einst tagen, da wird dein Hoffen und Sehnen gestillt; was du gelitten und was du ertragen, dir der allmächtige Vater vergilt".

   Die deutschen Truppen nahmen kurze Zeit später die Gegend wieder in ihre Hand. Es kam am 30. August 1914 zu einem größeren Gefecht in Rohmanen. Die deutschen Verbände waren auf den Lehmaner Bergen in Stellung gegangen. 19 Russen fielen, etwa 50 wurden schwer verwundet 180 gerieten in Gefangenschaft. Ein deutscher Soldat fiel.

    Gefallene von 1914
Noch während des Krieges wurde auf Initiative der Dorfbewohner
und des Hauptlehrers Aron 1916 ein "Heldenfriedhof" auf der Anhöhe rechts vor dem Dorfeingang,
von Ortelsburg kommend, angelegt. Die Anlage wurde würdig bepflanzt und von den Rohmaner
Schulkindern gepflegt. Bis heute findet sich der kleine Friedhof an dieser Stelle,
von wucherndem Wacholder umgeben, steht der Gedenkstein mit folgender Inschrift:

   Nachdem die unmittelbaren Kampfhandlungen 1915 endgültig aus Ostpreußen verbannt waren, mußte an den Wiederaufbau gegangen werden. Mit Hilfe der Kriegsschadenshilfe konnten die meisten Gebäude bereits gegen Kriegsende fertiggestellt werden.

   24 Rohmaner sind im Ersten Weltkrieg gefallen:
   August Baran, Wilhelm Bork, Gustav Dembek, Karl Fomferra, Gustav Glass, Johann Gloddek, Gottlieb Jorzik, Gottlieb Kownatzki, Gustav Kiy, Wilhelm Lissek, Fritz Leyk, August Lekzik, Friedrich Nadrowski, Gustav Nickel, Johann Ollech, Willy Rohmann, Johann Resonnek, Friedrich Rattay, Gustav Spektor, Otto Trzaska, Johann Welt, August Welt und Friedrich Wittkowski.

                                                                                                                    - Rohmanen nach 1918 - Weimarer Republik -

   Nach der Abdankung des Kaiserhauses und dem verlorenen Ersten Weltkrieg begannen politisch unruhige Zeiten auch für Masuren. Bei den Friedensverhandlungen in Versailles wurde am 28. Juni 1919 festgelegt, daß Masuren Abstimmungsgebiet werden sollte. Das wiedererstandene Polen forderte die südlichen Gebiete Ostpreußens - Masuren und Teile Ermlands - als ethnisch polnische Teile ein. Daher sollte eine Volksabstimmung die territoriale Frage klären.

   In Rohmanen -wurde ein Heimatverein gegründet, der die Stimmung zugunsten eines Verbleibs der Heimat bei Deutschland fördern sollte. Im Dorf wurden unter reger Beteiligung der Schulkinder Heimatfeste veranstaltet. Aus Westfalen und anderen Teilen des Reiches kamen Rohmaner zur Abstimmung am 11. Juli 1920. Fritz Slopianka kam sogar aus Kanada. Alle Häuser nahmen Gäste auf, Familien trafen sich nach langer Zeit wieder. In der Schule befand sich das Abstimmungslokal. Am Tage der Abstimmung strahlte das ganze Dorf in festlichem Glanz. Das Ergebnis lautete in Rohmanen: 408 Stimmen für Ostpreußen (und damit Deutschland) - keine Stimme für Polen.

   1896 gründete Gemeindevorsteher Friedrich Biella die Freiwillige Feuerwehr Robmanen. Zu den aktiven Mitgliedern bis 1914 gehörten Friedrich Nickel, Friedrich Willam, Jakob Janowski, Johann Gloddek und Gustav Bednarz. Nach dem Ersten Weltkrieg übernahm Wilhelm Pilath die Funktion des Brandmeisters. Zu den weiteren Aktiven gehörten Gustav Rattay, Wilhelm Willam, Johann Dembek, Julius Maczey, Gustav Deptolla und Julius Wittkowski. Zum jüngeren Nachwuchs zählten später noch Otto Biella, Erich Raatz, Julius Nickel, Fritz Dorka, Erich Rogalla und Fritz Dembek. Stellvertretender Brandmeister war August Linka. Das Spritzenhaus der Gemeinde stand an der Hauptstraße neben dem Gasthaus Trzaska. Die Feuerspritze wurde von Pferden gezogen, die die direkt an das Spritzenhaus grenzenden Bauern zur Verfügung stellen mußten.

   Mit Lehrer Alfred Dorka, der 1921 nach Rohmanen kam, blühte die Jugendarbeit auf. 1922 gründete er den Jugendverein Rohmanen. Im Sommer standen sportliche Aktivitäten im Mittelpunkt, während im Winter auch Theaterstücke eingeübt wurden, die bei Trzaskas im Saal aufgeführt wurden. Lehrer Charzinski rief eine Gesanggruppe ins Leben. Der Bauer Wilhelm Spittka stellte dem Jugendverein ein Stück Land als Fußballplatz zur Verfügung. Die Fußballsparte leitete Emil Nickel, Otto Biella war in den zwanziger Jahren Schrift- und Spielführer des Vereins. Die Schwimmsparte errichtete am Rohmanek eine eigene kleine Badestelle mit einem Sprungbrett. Abends fanden im Sommer Heimatfeste am See statt, bei denen ein Feuer entfacht wurde und Lieder gesungen wurden. Mit dem Aufkommen des Nationalsozialismus ging die Jugendgruppe wieder ein, da viele Kinder und Jugendliche nunmehr in die NS-Organisationen eintraten. Auf Initiative von Lehrer Dorka wurde auch die Kreisrodelbahn am Rohmanek eingerichtet, die direkt auf die Mitte des gefrorenen Sees führte. 1924 gründete Kaufmann Fritz Trzaska einen Kleinkaliber-Schützenverein. Ihm stand Oberleutnant a.D. Haugwitz aus Ortelsburg beratend zur Seite. 1935 gründete Erich Trzaska einen Kriegerverein, der nach seiner Versetzung nach Braunsberg von Adam Glitza übernommen wurde.

   1931 erhielt Rohmanen eine Poststelle, die Marie Trzaska führte. Dort befand sich bereits seit 1921 eine Fernsprechstelle. Eine Unfallhilfsstelle des Roten Kreuzes befand sich beim Bauern Gustav Rattay, der auch andere Rohmaner ermutigte, an Erste-Hilfe-Kursen teilzunehmen.

   Zum religiösen Leben ist folgendes zu sagen: Die Rohmaner waren fast ausschließlich evangelisch und hielten sich sehr zu ihrer Kirche. Kirchliche Feiertage wurden geachtet. Rohmanen gehörte zum Kirchspiel Ortelsburg. Für die älteren Rohmaner wurden gelegentlich Andachten in der Schule abgehalten. In Masuren existierten starke Laiengruppen, die innerhalb der evangelischen Kirche im Geist des Pietismus eigene Gemeinschaften gründeten. Faßte man vor 1914 diese frommen Protestanten landläufig als "Gromadki" zusammen, erscheint doch eine genauere Betrachtung sinnvoll. Innerhalb der Landeskirche gab es die "Landeskirchliche Gemeinschaft" und den "Jugendbund für Entschiedenes Christentum (EC)", die auch in Rohmanen eine größere Rolle spielten. Zu dieser evangelischen Gruppe gehörten u.a. die Familie Karl und Gottlieb Brosch, Gustav Rattay, Slopianka, Opretzka, Gustav Dorka, Willam, Pilath, Both, Milewski, Dibowski u.a. Willy Doormann leitetet eine Zeitlang den Chor des Rohmaner Jugendbund, den später Fritz Both übernahm. Auch bestand eine Posaunengruppe, zu der u.a. auch Gustav Brosch gehörte, der sie noch nach 1945 in Rohmanen weiterführte und bei kirchlichen Veranstaltungen in der Ortelsburger Region mitwirkte (weitere Mitglieder vor 1945: Wilhelm Pilath, Fritz Brosch, Fritz Ollech, Willi Doormann). Es gab auch eine Sonntagsschule, die von mehreren freiwilligen Helfern geleitet wurde, unter ihnen "Opa Pilath" und Prediger Johannes Schelhase. Der Kindergottesdienst fand zeitweise bei Willam, Karl Brosch und Opretzka statt. Im Rahmen der evangelischen Landeskirche fanden auch Missionsfeste statt, deren Organisation häufig Frau Tulowitzki übernahm. Anfang des Krieges entstand ein Gitarrenchor unter Leitung von Emma Slopianka geb. Moselewski. Ihm gehörten u.a. Edith Opretzka, Marta Milewski und Anna Urbanski an.

   Neben den Landeskirchen-Mitgliedern gehörten mehrere Rohmaner Familien zu evangelischen Freikirchen. Baptisten waren die Familien Janowski, Bednarz, Fomferra, Karl Glitza, Ficht u.a. Es gab eine katholische Familie Kraniger, die 1919 aus Schlesien nach Rohmanen kam und 1936 nach Ortelsburg verzog.

   Gewöhnlich kamen zweimal in der Woche Frau Bonk und Frau Sadowski (beide aus Rohmanen) mit einem Einspänner gefahren und riefen laut "Frische Fische" oder auf masurisch "do ryb". Vor allem verkauften sie frische Plötze und Barsche, im Winter auch grüne Heringe. Bekannt ist noch, daß sie häufig riefen "sledsche jek niedwedsche" (masurisch: Heringe so groß wie Bären).

   Im Rohmaner Dorfteich gab es Karausche. Stellmacher Ornowski hatte den Teich von der Gemeinde gepachtet und fischte dort manchmal. Der Altsitzer Jorzik besaß ein Boot auf dem Teich. Der Dorfteich, auch "stawek" genannt, wies nur eine geringe Tiefe auf und fror deshalb schnell zu. Dadurch wurde er zu einem Tummelplatz der Rohmaner Dorfjugend, die waghalsig eine Art Eiswellenlauf (masurisch: "Bujufka") auf dem brüchigen Eis veranstaltete. Etwa 1921 sind einige Kinder im Eis eingebrochen. Nur das schnelle Eingreifen des Bauern Lemke rettete die Kinder vor dem Ertrinken.

   In Rohmanen bauten einige Bauern Flachs an. Die Felder leuchteten zur Blütezeit in tiefem Himmelblau. Nach der Blüte wurden die runden Kapseln geerntet, die ölhaltige Samenkörner enthielten. Aus ihnen wurde Leinöl gepreßt, der Rest wurde als Leinkuchen an das Vieh verfüttert. Kurz vor der Samenreife wurde der Flachs mit der Hand aus dem Boden ausgezogen und auf den Feldern in "Kapellen" zum Trocknen aufgestellt. Danach wurden die Kapseln mit Riffelhacken vom Stroh getrennt, das Stroh gebündelt und zum Dorfteich gebracht. Das Stroh wurde im Wasser versenkt und mit Steinen beschwert. Nach Wochen wurde es herausgeholt, gespült und wiederum getrocknet. Im Winter begann dann das Flachsraffen. Das Stroh kam in eine Flachsbreche, um das mürbe gewordene Holz vom Bast zu lösen und gleichzeitig die Fasern voneinander zu trennen. Im Winter wurde dann der Flachs mit Nadelkämmen ausgekämmt, um die Einzelfäden von etwaigen Holzteilchen freizubekommen. Nun war der Flachs so fein bearbeitet, daß die Flachsfasern wie seidig glänzendes Haar aussahen und wurden in große Zöpfe gebunden und dann am Spinnrad zu festem Garn versponnen. Dann wurde an Webstühlen gewebt. Die produzierten Leinwandstücke wurden im Sommer auf dem Rasen zum Bleichen ausgespannt. Diese aufwendige und zeitintensive Arbeit des Flachsanbaus starb immer mehr aus. Der Dorfteich litt ebenfalls durch das Flachseinweichen, da viel Flachsstroh und Steine zum Beschweren liegen blieben. Dadurch verschlammte er zunehmend. In einer Gemeinschaftsaktion der Gemeinde mußte daher der Schlamm regelmäßig abgefahren werden. Später legte man eine Drainage und schuf damit einen besseren Abfluß. Der neue Kanal führte bis zu Jaschinskis Teich und wurde von dort in einem Graben weitergeleitet. Zur Erntezeit, nach getaner Feldarbeit wurde der "Plon" gebunde, eine Erntekrone, die von den Helfern dem Bauern überreicht wurde. Mit diesem Symbol endete die Erntezeit und gemeinsam wurde gefeiert. Johannisfeuer fanden auf dem Schulberg statt. Wagenräder wurden mit Stroh umwickelt, angezündet und den Berg hinuntergerollt. Diese alten Bräuche, wurden später in der NS-Zeit mißbraucht und als altes germanisches Heidentum gefeiert.

   Zu Ostern spritzten sich die Kinder gegenseitig mit "Osterwasser" naß ¨ein großer Spaß für alle Beteiligten. Beerdigungen waren fester Bestandteil des Lebens. Am offenen Sarg im Wohnhaus des Verstorbenen wurde Totenwache gehalten und fromme Lieder gesunge, gebetet - und häufig auch getrunken. Die Gemeinde besaß einen Leichenwagen, der in der Dorfschmiede stand. Im Wechsel stellten die Bauern die Pferde zur Verfügung. Es kam einige Male bei starkem Regenwetter oder Glatteis vor, daß der Wagen auf dem Weg zum Friedhof am relativ steilen Hang umkippte. Am Spritzenhaus stand auch ein Milchwagen. In einer bestimmten Reihenfolge fuhren die Rohmaner Bauern ihre Milch zur Ortelsburger Molkerei. Es gab einige Milchkannenständer im Dorf.

   In Masuren stand abergläubisches Denken hoch im Kurs. Das war auch nicht verwunderlich, lebten die Menschen hier doch seit Jahrhunderten im Rythmus der Natur. Wind und Wetter waren sie bedingungslos ausgesetzt. Von einer guten Ernte hing alles ab. Zwischen Aberglaube und Volksfrömmigkeit ist dabei manchmal nur schwer zu trennen. Die alten Bauern knieten vor der Einsaat am Feldrand nieder und beteten für eine gute Ernte. Feiertage wurden geheiligt, Karfreitag galt als höchster Feiertag, an dem viele Menschen fasteten. Neben dem religiösen gab es auch andere, alte Traditionen, die bis 1945 fortlebten. Zum einen gab es überall den masurischen "Kaubuk" , ein Hausgeist, der eigentlich böse war. Um ihn zu zähmen, war es üblich, auf dem Dachboden oder in den Stallungen Futter für ihn bereitzustellen. Ebenso fürchtete man sich vor der "Mara" . Die Mara war ein weiblicher Geist, die nachts den Pferden die Mähne zu Zöpfen flocht. Wenn alte Menschen den Tod nahen fühlten, sagte man, die Mara hätte sie nachts heimgesucht. Auf masurisch hieß das "Mara mnie dusila" (Die Mara hat mich gewürgt).

   Am 29. Juni, dem Peter und Paul-Tag, durfte man keine Rüben hacken, weil sonst die Wurzeln trockneten. Zwischen Weihnachten und Neujahr durfte keine Wäsche gewaschen werden, da ansonsten im neuen Jahr ein Todesfall die Familie treffen würde. An Maria Lichtmeß, dem 2. Februar, durfte kein Krach gemacht werden, sonst schlug der Blitz ein.

   In Rohmanen gab es, wie überall in Masuren, auch alte Frauen, denen man nachsagte, sie verfügten über "übernatürliche" Kräfte. Da der Arzt weit und zugleich teuer war, gingen die Rohmanen besonders vor dem Ersten Weltkrieg bei kleineren Verletzungen und Beschwerden zu diesen alten Frauen. Eine von ihnen war die alte Frau Tulowitzki, die bereits 1920 starb. Sie versorgte die "Patienten" mit Kräutertees und diversen anderen Mitteln, die heute unter homöopathischen Naturheilmitteln zu finden wären.

   Wollten Eltern ihre Kinder zur Räson bringen, sagte man "Warte, dich holt der Murach". Murach war ein real existierender alter Hausierer, der bettelnd oder Reisigbesen verkaufend, über die Dörfer zog. Viele Leute hatten Angst vor ihm. Er soll noch nach 1945 in der Gegend gewesen sein.

   Die Gemeindebekanntmachungen wurden vom Ortsdiener verkündet. Dieser war mit einer Glocke unterwegs. Wenn sie die Glocke hörten, eilten die Robmaner ans Fenster oder an die Straße, um den neuesten Bekanntmachungen zu lauschen. Bekannt sind noch die Ortsdiener Wiezorek, Welt und Podschadly. Diese drei riefen die Bekanntmachungen noch in masurischer Sprache aus. Der letzte Gemeindediener Friedrich Sakowski bediente sich bereits der deutschen Sprache.

   Nach der Ermordung von Hauptlehrer Müller kam als sein Nachfolger Lehrer Aron 1916 nach Rohmanen. Zweiter Lehrer war Hermann Gallbach. 1921 folgte Alfred Dorka als Junglehrer. In den zwanziger Jahren war Johann Gustav Charzinski Hauptlehrer. 1937 folgte Eugen Jobski als letzter Hauptlehrer nach Rohmanen.

   Zum öffentlichen Leben ist noch folgendes zu sagen. Das Amt des Dorfschulzen, später des Gemeindevorstehers, läßt sich bis in das 19. Jahrhundert zurückverfolgen. Erster bekannter Schulze war um 1840 Wilhelm Lemke. Danach wirkten ein Fomferra, Mathes Maczey, Gottlieb Gollan (seit 1865), Adam Glass II (seit 1869), Michael Biella (etwa 1875-1900), Friedrich Biella (1900-1914), Adam Deptolla (Weltkrieg), Wilhelm Pilath, Michael Rogalla und Michael Kownatzki. Der letzte Bürgenneister Rohmanens war der Bauer Adam Glitza, der am Rohmanek-See wohnte.

   Die Wahl des Gemeindevorstehers erfolgte durch die Gemeindevertretung, der neun Männer angehörten. Mitglieder der Gemeindevertretung nach 1918 waren u.a. Friedrich Bednarz, Friedrich Nickel, Julius Tiborski, Fritz Trzaska, Ernst Trzaska, Wilhelm Spittka, August Linka, Wilhelm Both, Wilhelm Pilath jun., Gustav Deptolla, Friedrich Biella, Michael Rogalla und Karl Dibowski.

   Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 wurde noch das Amt des Ortsbauernfiihrers eingeführt. Dieses Amt hatte Wilhelm Both inne. Während des Krieges, wahrscheinlich bis zur Flucht, war Friedrich Biella Ortsbauernführer, der allerdings nur noch vertretungsweise tätig sein durfte. Er war bereits vorher aufgrund seiner ablehnenden Haltung den NS-Machthabern gegenüber aus den meisten Ehrenämtern ausgeschieden.

   Schiedsmänner in Rohmanen hatten kleinere Streitigkeiten zu schlichten. Friedrich Biella und Wilhelm Both hatten dieses Amt lange Jahre inne.

                                                                                                                          - Das Dorf im Nationalsozialismus -

   1933 zählte das Dorf 810 Einwohner. In Rohmanen gab es im selben Jahr laut Volkszählung einige Gewerbebetriebe. Marie Trzaska führte das Gasthaus, einen Lebensmittelladen und die Poststelle. Weitere Betriebe waren die Schmiede Gustav Bednarz, Schneider Wilhelm Baran, Stellmacher Adam Ornowski, die Tischler Karl Dibowski und August Raatz, Zimmermeister Karl Kontor und Schuhmacher Wilhelm Wiezorek. Karl Pelkowski arbeitete als Schlachter und betrieb eine kleine Wurstwaren- Verkaufsstelle. Durch die Nähe zur Kreisstadt Ortelsburg konnte sich ein regeres Gewerbeleben nicht entwickeln. Zu den größten Bauern zählten Michael Bach, Friedrich Biella, Michael Rogal1a und Gustav Bork mit jeweils über 100 Morgen Land.

   Rohmanen wählte bereits vor der Machtergreifung in deutlicher Mehrheit die Partei Hitlers. Bei den Reichstagswahlen 1932, ein halbes Jahr vor der Machtübernahme im Januar 1933, stimmten 85 Prozent der Rohmaner für die NSDAP. In früheren Wahlen wies die monarchistische Deutschnationale Volkspartei (DNVP) die meisten Stimmen auf. In der Grundtendenz war die Bevölkerungsmehrheit agrarisch-konservativ orientiert. Einige Arbeiter, Instleute und Kleinbauern wählten auch die SPD oder KPD.

   Federführend in der NSDAP waren die Brüder Erich und Ernst Trzaska. Sie waren bereits seit Anfang der zwanziger Jahre in der deutschvölkischen Bewegung aktiv und schlossen sich als erste der NSDAP an. 1929 wurde Ernst Trzaska Mitglied der SA und deren Rohmaner Stützpunktleiter. Ihm folgen die SA- und NSDAP-Mitglieder Karl Baran und Wilhelm Maczey im Frühjahr 1929, später Michael Kownatzki, Johann Gloddek und Adam Glitza. Sie gründeten die erste sogenannte "Zelle" der NSDAP, die allerdings keinen Status als eigene Ortsgruppe hatte. Die Rohmaner NSDAP-Mitglieder gehörten zur Ortsgruppe Ortelsburg. Die Robmaner SA zählte 1931 zehn Mitglieder, zu denen u.a auch Emil Nickel als Oberscharführer stieß. Später übernahm Lehrer Engen Jobski die Fühning der NSDAP-Zelle. Im Ort gab es eine Gruppe der "Hitlerjugend" (HJ) und des "Bund Deutscher Mädchen" (BDM). Mit der sogenannten "Gleichschaltung" begann auch für Rohmanen eine Zeit staatlicher Reglementierung. Insbesondere kirchliche Veranstaltungen wurden staatlicherseits stark behindert. Lehrer Jobski untersagte deshalb auch kirchliche Feiern in der Dorfschule. Pfarrer Albert Koßmann wie auch Superintendent Stern gehörten zur "Bekennenden Kirche". Sie stellten sich bewußt gegen das Regime und waren beide unter Gestapo-Beobachtung. Koßmann wurde später verhaftet.

   Wirtschaftlich ging es anfänglich stark aufwärts. Viele Stallungen und Scheunen wurden in den dreißiger Jahren neugebaut. Die NS-Regierung vergab günstige Kredite an die Bauern. In Rohmanen entstanden viele neue Siedlungshäuser. Ab 10 Hektar wurden alle Höfe in die Erbhöferolle eingetragen. Damit wollte die Regierung die Vollbauernstellen für folgende Generationen unter besonderen Schutz stellen.

   In den dreißiger Jahren kamen die ersten Autos nach Rohmanen. Opretzkas erhielten 1937 ihren Opel, mit dem viele Rohmaner nach Ortelsburg zur Trauung gefahren wurden. Auch Trzaskas und Barans besaßen ein Auto. Doch die kurzen Jahre des Aufschwungs waren nur ein trügerischer Schein. Die Aufrüstung schritt still voran. Mit dem Polenfeldzug 1939 begann in Rohmanen der Krieg vor der Haustür. Die wehrfähigen Männer wurden spätestens im August 1939 eingezogen. Polnische Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene mußten auch in Rohmanen auf den Höfen arbeiten. Später kamen auch russische/ukrainische Zwangsarbeiter und französische Kriegsgefangene hinzu. Ohne sie wäre die Landwirtschaft während der Kriegsjahre gar nicht überlebensfähig gewesen. Alle wehrfähigen Männer waren eingezogen, so daß häufig die Ehefrauen zusammen mit den Hilfskräften und den sogenannten "Fremdarbeitern" den Hof führen mußten. Polen, Russen und Ukrainer hatten kein leichtes Los. In jedem Fall behandelte die Mehrheit der Rohmaner die Gefangenen mit Respekt und Anstand.

   Spätestens mit dem Krieg gegen die Sowjetunion begann in Rohmanen die ständige Einquartierung von Wehrmachtseinheiten. Zuletzt war es eine Nachrichteneinheit, die mit der Rohmaner Bevölkerung in herzlichem Einverständnis lebte. Im Januar 1945 halfen diese guten Beziehungen einigen Rohmanern bei der Flucht.

Die letzten Hofbesitzer in Rohmanen vor 1945 hießen:
   Lekzik, Gustav Stach, Julius Tiborski, Bonk, Fritz Ollech, Luise Schlensak, Emil Rosowski, Michael Rogalla, Gottlieb Urbanski, Gustav Fomferra, Gustav Bednarz, Karl Brosch, Friedrich Sakowski, Emil Nickel, Karl Pelkowski, Gustav Rattay, Julius Maczey, Gustav Dorka, Gustav Deptolla, Karl Milewski, Adolf Butzek, Luise Makrutzki, Friedrich Bork, Jakob Leyk, Marie Neumann, Otto Nickel, Gustav Bork, Wilhelm Butzek, Emil Bonk, Gustav Pietzonka, Wilhelm Willam, Gottlieb Gusek, Gustav Opretzka, Johann Gloddek, Gasthaus Trzaska, Johann Radek, Wilhelm Wieczorek, August Tulowitzki, Erich Raatz, Karl Bach, Anna Sakowski, Emil Wittek, Julius Rohmann, Gustav Bach, Wilhelm Makrutzki, Wilhelm Jaschinski, Karl Dibowski, Wilhelm Both, Gustav Wittek, Karl Pietzonka, Jakob Janowski, Friedrich Biella, Emil Bork, Wilhelm Lemke, Wilhelm Lojewski, Adam Ornowski, Julius Wittkowski, August Linka, Gustav Linka, Wilhelm Pilath, Marie Gallmeister, Wilhelm Baran, Friedrich Brosch, Karl Wittkowski, Gustav Deptolla, Karl Kontor, Gustav Brosch, Wilhelm Butler, Emil Baschek, August Pillath, Adam Glitza, Karl Glitza, Michael Bach, Emil Gorontzi, Johann Nadrowski, Friedrich Bednarz, August Lemke, Wank, Michael Kownatzki, Kraniger, Friedrich Lekzik, Welt, Lekzik, Johann Gloddek.

   Das Donnern der Front war seit dem Herbst 1944 unüberhörbar. Viele ahnten, daß das Weihnachtsfest 1944 das letzte in der Heimat sein würde. Im Tagebuch von Friedrich Biella heißt es ganz kurz unter dem 21. Januar 1945: "Befehl zum Verlassen meines Hofes". Was steckt in diesen kurzen Worten ! - der Abschied von der Heimat. Die Front war bereits so bedrohlich nah, daß eine sichere Flucht und damit Rettung kaum noch möglich schien. Für Robmanen war Sonntag, der 21. Januar 1945 der offiziell letzte Tag für eine Räumung. Die Rohmaner waren nun auf sich selbst gestellt. Im Chaos des Untergangs versuchte jeder, aus dem Inferno herauszukommen. Die wenigen, die es geschafft haben, kamen über das gefrorene Frische Haff, häufig über See, nach Westen. Von vielen Rohmanern wurde erwähnt, daß der Polizist Wilhelm Dorka aus Rohmanen auf der Nehrung Dienst tat und vielen half, sich weiter zu orientieren.

   Wilhelm Both, ehemals Ortsbauernführer, berichtete nach dem Krieg (Freilassing/Oberbayern, 16.3.1952) über die letzten Stunden in Rohmanen, die er als Volkssturm-Mann unmittelbar miterlebte (durch den Verfasser leicht orthographisch überarbeitet). Both, geb. 1893, war Kriegsteilnehmer von 1914-1918. Als Unteroffizier entlassen, wirkte er später in verschiedenen Gremien mit, u.a. als Laienrichter am Anerbengericht. Seit 1939 war er im Kriegseinsatz als Feldwebel, Sonderführer und beim Volkssturm. Bei letzterem erlebte Both das Ende Rohmanens unter deutscher Herrschaft:

   "In der Nacht vom 21. zum 22.1.1945 wurde ich mit 18 Mann Volkssturm (aus Stadt Ortelsburg) eingesetzt. Mein Auftrag war: Straßenkreuzung Eichthal-Rohmanen besetzen u. Stadt Ortelsburg gegen feindliche Panzer von Norden zu sichern. Dortselbst standen zwei deutsche Panzer mit Schußrichtung Eichthal. Am 22.1.45 früh gegen 3 Uhr rückten die beiden Panzer in Richtung Rohmanen ab. Aus Richtung Waldsee bzw. Gut Steinberg hörte ich MG- bzw. Gewehrfeuer, was immer näher kam. Gegen 5 Uhr früh kamen feindliche Leuchtkugeln bis auf die Straßenkreuzung. Aus der Stadt selbst war Gewehrfeuer zu hören.

   Um 6 Uhr früh schickte ich einen Melder zum Batallion, das auf der Burg war, gegen 7.30 früh kehrte er zurück mit der Meldung, daß die Brauerei Daum, sowie die Beutnerstraße von sowjetischen Truppen besetzt sei. Ein Durchkommen zur Burg über die Brücke sei nicht möglich. Vom Friedhof aus (Friedhof Beutnerdorf] beobachtete ich, daß alles aus der Stadt in Richtung Lehmanen zurückging. Aus Richtung Ziegelei Krolitzki (Siedlung) tauchte feindliche Infanterie auf Von den 18 Mann Volkssturm war niemand mehr da (da keiner eine Schußwaffe hatte, nur Panzerfäuste). Hier entschloß ich mich meinen Posten aufzugeben. In der Zeit zwischen 9 und 10 Uhr früh dem 22.1.45 verweilte ich in meinem Heimatdorfe Rohmanen. Es war keine Menschenseele zu finden, nur auf meinem Hofe waren eine Menge polnischer Arbeiter zusammen. Auf der Straße traf ich einzelne Trecks aus Ebendorf u. Lindenort, sie zogen Richtung Bischofsburg über Rheinswein. 10.30 Uhr stand ich auf der Höhe 500 Meter hinter Rohmanen Richtung Neu-Keykuth, dort traf ich eine motorisierte Nachhut-Abteilung. Der Oberleutnant, der Führer der Nachhut, zeigte mir anband der Karte, daß hier die deutsche Hauptkampflinie wäre, die russische befand sich zu der Zeit Albertshof, Friedhof Rohmanen. Rohmanen ist nicht verteidigt worden! Einzelne Gehöfte, die abgebrannt sind, sind absichtlich angesteckt worden. Rohmanen wurde am 22.1.45 von sowjetischen Truppen besetzt. Es ist kein Befehl zur Räumung gegeben worden".

                                                                                                                    - Nach 1945 - Flucht, Vertreibung und Neuanfang -

   Am 22. Januar 1945 marschierten die sowjetischen Truppen ins Dorf. Fast alle Menschen befanden sich auf der Flucht. Nur einige ältere und kranke Rohmaner blieben zurück. Sie ereilte ein schlimmes Schicksal.

Beim unmittelbaren Einmarsch der Russen wurden folgende Rohmaner erschossen:
   Karoline Bednarz, Bauer Karl Glitza, eine unverheiratete Tochter des Bauern Karl Glitza(Abbau), Briefträger Heinrich Wittkowski, Altsitzer Adam Omowski, Arbeiter Karl Sakowski und Referendar Max Trzaska. Chauseewärter Gustav Wittek und sein Sohn Helmut wurden verschleppt und kehrten nie zurück. Marta Gayk geb. Littek wurde auf der Flucht überrollt und von Russen erschossen, wie auch Ofensetzer Gustav Opretzka, der im Kreis Bischofsburg erschossen wurde.

   Die ersten Wochen waren von Anarchie und Gewalt gekennzeichnet. Nachdem das deutsche Militär abgezogen war, fanden die Russen nur noch Zivilisten vor. Es waren vor allem Frauen, Kinder und Alte. Frauen waren permanent Vergewaltigungen ausgesetzt, weshalb sich viele in den Wäldern versteckten.

   Im Frühjahr kamen die ersten Polen nach Rohmanen. Auch viele Rohmaner kehrten von der Flucht zurück. Viele waren vom raschen Vorrücken der Sowjetarmee überrascht worden. Andere kamen sogar aus West- und Mitteldeutschland zurück. Es sammelte sich eine recht stattliche Anzahl deutscher Rohmaner, die bereit waren, einen Neuanfang in der Heimat zu wagen. Ohnehin dachten fast alle, daß die übrigen Rohmaner ebenfalls zurückkehren würden. Über die politische Zukunft Ostpreußens bestand Unkenntnis. Viele Familien waren getrennt, die Ehemänner und Väter irgendwo in Gefangenschaft. Die zurückgebliebenen Rohmaner stellten anfänglich mehr als ein Drittel der Bevölkerung. Unter anderem blieben in Rohmanen nach 1945:

   Familie Julius Maczey mit Johann Littek, Familie Minna Dembek, Gottliebe Dorka und Marie Gallmeister geb. Dorka, Marie Trzaska, Frieda Pelkowski geb. Rattay, Familie Gustav Rattay, Familie Emilie Deptolla, Familie Baran, Familie Gloddek, Friedrich und Wilhelmine Willam, Familie Slopianka, Johann und Marie Radek, August und Auguste Radek, Familie Wilhehn Butler, Familie Fritz Sakowski, Friedrich Nickel und Frau, Familie Gottliebe Opretzka, Familie Herta Wittek, Gustav und Marta Leyk, Familie Gustav Brosch, Familie Gottlieb Brosch, Familie Frieda Glinka, Familie Butzek, Familie Gusek, Familie Domnik, Familie Emil Bonk, Familie Friedrich Bednarz, Wilhelm Jaschinski, Familie Wilhelm Lemke, Familie Lekzik, Familie August Linka, Familie Anna Maczey, Familie Hedwig Raeder, Familie Friedrich Bork, Familie Glitza-Abbau, Familie Nickel-Abbau, Familie Marta Schönknecht.

   Die Hoffuung auf einen Neubeginn schwand immer mehr. Als Deutsche sahen sie sich zahlreichen Schikanen ausgesetzt. Die Solidarität untereinander half den verbliebenen Rohmanern, ihr Schicksal zu ertragen. Die deutschen Rohmaner trafen sich, hielten zusammen, beerdigten ihre Toten weiterhin auf dem Rohmaner Dorffriedhof. Aus einigen Briefen wird deutlich, wie es den Rohmanern in der Heimat erging. So schreibt Frieda Pelkowski geb. Rattay am 2.7.1950 aus Rohmanen: "Der Roggen steht dieses Jahr gut, die Sommerung ist sehr weitläufig. Euer Birnbaum ist sehr voll von Birnen. Schade, daß hier niemand von Euch ist .... Wollen ja hoffen, daß wir uns bald wiedersehen werden. Bei Gott ist alles möglich Das ist mein einziger Wunsch".

   Nach und nach siedelten immer mehr Rohmaner in die Bundesrepublik Deutschland aus. Seit 1957 verließen sie die Heimat in mehreren Wellen, u.a. 1962, 1969 und 1971. Heute leben nur noch Hildegard und Liesbeth Bonk im Dorf, die Töchter von Emil und Ottilie Bonk geb. Kurnitzki.

   Aber auch die alten Rohmaner, die im Westen landeten, waren von Heimweh geplagt. Viele wären lieber heute als morgen auf ihre Höfe zurückgekehrt. Als Beispiel für diese Heimatliebe sei ein Brief von Friedrich Biella an seine Tochter zu Weihnachten 1946 zitiert. Er schreibt, bereits über siebzig Jahre alt, von seinem "Asyl" und denkt täglich an die Rückkehr nach Rohmanen: "Wie lange dieser Zustand noch dauern wird, wissen wir alle nicht, aber das wissen wir, daß das deutsche Volk unter diesen Umständen langsam aber sicher zugrunde geht. Die Strafe die der liebe Gott über uns anhängt ist hart aber auch gerecht und wir müssen alle geduldig tragen, bis uns eines Tages auch für die zurückgebliebenen Deutschen die Sonne scheinen wird". Als sich herausstellte, daß an eine Rückkehr nicht zu denken war, erkrankte Friedrich Biella und starb bereits im Januar 1948 im südlichen Niedersachsen.

   Viele Rohmaner haben inzwischen die Heimat besucht, waren auf den Höfen ihrer Vorfahren. Heute leben dort Polen und einige Ukrainer. Den Rohmanern bleibt die Erinnerung und das Vermächtnis, die Geschichte dieses Dorfes für die Zukunft zu bewahren. Vertrieben aus der Heimat haben die Rohmaner viel Leid erfahren müssen, viele starben an den folgen des mörderischen Krieges. Deshalb ist das Gebot der Versöhnung und des Händereichens besonders wichtig. Das bald ausgehende Jahrhundert hat uns alle gelehrt, daß Haß nur Haß erntet, Mord mit Mord beglichen wird. Der Heimat zu gedenken, heißt nach mehr als fünfzig Jahren diese Spirale der Gewalt ein für allemal zu durchbrechen. Auf daß kommende Generationen weniger Leid erfahren müssen als die Rohmaner in ihrer langen Geschichte!

   Die Rohmaner leben heute in alle Winde verstreut. Viele ruhen fern der Heimat in fremder Erde. Ob in Schleswig-Holstein, Niedersachsen oder dem Ruhrgebiet, ob in Kanada oder Mecklenburg - möge die Erinnerung an Rohmanen, an das Schaffen und Schicksal seiner Menschen im Laufe von sechs Jahrhunderten nie verblassen. Alle sind aufgerufen, diese Erinnerung in ihren Familien weiterzutragen.

                  
Gefallene von 1945

                  

                  

                                                                             


Bach, Gustav - gefallen 1943
Bach, Michael - am 30.1.1945 von Russen-erschossen
Bach, Wilhelmine geh. Glass - 1945 an Typhus
Baran, Charlotte geh. Pilath - 1946 Rohmanen
Bednarz, Karoline - am 22.1.1945 von Russen erschossen
Bednarz, Paul - verschollen
Biella, Wilhelm - gefallen 1944 Rußland
Bonk, Emil - gefallen
Bonk, Fritz - gefallen 1945 Danzig
Bonk, Gerhard - gefallen 1940 Litauen
Bonk, Rudolf - gefallen 1943 Italien
Bork, Emil - gefallen 1944
Bork, Wemer - vennißt seit Januar 1945
Both, Günther - gefallen 1943 - -
Brandt, Else - durch Fliegerbomben auf der Flucht
Brosch, Karl - vermißt seit Januar 1945
Butzek, Otto - vennißt
Butzek, Wilhem
Domnik, Kurt - verschleppt
Dembek, Fritz - gefallen
Deptolla, Gustav - vermißt
Dorka, Friedrich - gefallen 1.4.1942
Ficht, Karl - gefallen
Fomferra, August - verschollen
Fomferra, Kurt - gefallen
Gallmeister, Wilhelm - erschossen 1943
Gallmeister, Wilhelm jun. - gefallen
Gayk, Karl - vemrißt
Gayk, Marta geh. Littek - von Russen erschossen
Glinka, Fritz - gefallen
Glitza, Erich - gefallen 1945
Glitza, Ernst - gefallen 1943
Glitza, Helmut - vermißt
Glitza, Karl - am 25.1.1945 von Russen erschossen
Glitza, Helene - am 25.1.1945 von den Russen erschossen
Gloddek, Friedrich - in Rußland verschollen
Gollan, Johann - gefallen 22.6.1940
Guttek, Fritz - gest. 3.4.1945
Janowski, Jacob - verschleppt
Janowski, Wilhelm - gefallen
Janowski, Erika - auf der Flucht als Kind erschossen
Jobski, Gerhard - gefallen 1.2.1943
Jorzik, Altsitzer - auf der Flucht verschollen
Kownatzki, Erich - gefallen 1944
Lekzik, Friedrich - gefallen 1944
Lekzik, Karl - gefallen 16.9.1944
Lemke, Erich - gefallen
Linka, Hans - gefallen
Linka, Johann - gestorben 7.4.1945
Lüdtke, Erwin - gefallen
Maczey, Emil - gefallen
Milewski, Alfred - gefallen
Milewski, Karl - vermißt 23.3.1945 bei Danzig
Nickel, Julius - gefallen
Nickel, Otto - gefallen 1945
Opretzka, Gustav - im Januar 1945 von Russen erschossen
Ornowski, Adam - am 22.1.1945 von Russen erschossen
Pelkowski, Karl- 1946 in französischer Gefangenschaft verstorben
Pilath, Anneliese - 1945 an Typhus verstorben
Pilath, Gertrud - 1945 an Typhus verstorben
Przygodda, Emil - vermißt
Raatz, Amalie - 1945 auf der Flucht
Raatz, August sen. - auf der Flucht verschollen
Raeder, Emil- 1945
Rattay, Adam - verschleppt, gestorben
Rattay, Willy - gefallen
Sakowski, Karl - am 22.1.1945 von Russen erschossen
Schlensak, Alfred - gefallen 1941
Schönknecht, Julius - vermißt
Schönknecht, Paul - gefallen
Slopianka, Gerhard - gefallen
Slopianka, Karl - gefallen
Skrotzki, Charlotte - auf der Flucht vennißt
Skrotzki, Karl - auf der Flucht vermißt.
Tiborski, Erich - gefallen 2.6.1941
Tiborski, Willi - gefallen 1.10.1940
Trzaska, Max - am 22.1. 1945 von Russen erschossen
Urbanski, Willy - vennißt
Wiezorek, Hugo - vennißt
Willam, Ernst - gefallen
Willam, Fritz - gefallen
Wittek, Gustav - von Russen verschleppt
Wittek, Helmut - von Russen verschleppt
Wittkowski, Heinrich - am 22.1.1945 von Russen erschossen
Wittkowski, Paul - gefallen


Berlin, im April 1999
gezeichnet: Andreas Kossert

Anhang


Original Dokument
Original Dokument
Landkartenausschnitt
Ortelsburg vor dem 2. Weltkrieg
Foto vom Jubiläumstreffen
Foto vom Jubiläumstreffen